Plenarrede vonn Uda Heller am Do., 25. September 2008 zum Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD
“Reformationsjubiläum 2017 als welthistorisches Ereignis würdigen“ (Drs. 16/9830)

 

Sehr verehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

mein Heimatland Sachsen-Anhalt ist ein geschichtsträchtiges Land, welches deutsche und europäische Geschichte vereint.
Allein vier Unesco-Weltkulturerbestätten, die Straße der Romanik, Leben und Wirken von Kaiser Otto dem I und die Himmelsscheibe von Nebra zeugen von der Fülle und Vielfalt der Kulturhistorie.
Die Wiege und das Sterbebett von Martin Luther befinden sich in meinem Wahlkreis in der Lutherstadt Eisleben.
Mit dem Reformationsjubiläum rücken nun die zahlreichen Lutherwirkungsstätten in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen in den Focus der Öffentlichkeit.

Am vergangenen Sonntag hatte ich die Ehre an der feierlichen Eröffnung der Lutherdekade in Wittenberg teilzunehmen.
In einem deutsch-englischen Festgottesdienst und einer Festveranstaltung erinnerten Vertreter von Kirche, Politik und Kultur an die Verdienste des Reformators.
„Große Ereignisse müssen einen Anfang nehmen, um ihren programmierten Erfolg erreichen zu können“.

Die langfristige Vorbereitung des Jubiläums bietet Gelegenheit sich mit Martin Luther tatsächlich und neu auseinanderzusetzen.
Über einen Zeitraum von fast 10 Jahren hinweg werden wir uns auf vielfältige Art und Weise mit seinem Leben und Wirken beschäftigen.
Der Höhe- und Endpunkt der Lutherdekade wird am 31. Oktober 2017 mit dem 500. Jahrestag des Anschlags jener 95 Leitsätze gegen den Ablass erreicht sein.
Wir sind eingeladen zum Mitreden, Mitwirken und Mitgestalten. Kirche, Wissenschaft, Musik, Literatur und Kunst nähern sich diesem außergewöhnlichen Datum mit Tagungen, Podiumsdiskussionen, Lesungen, Konzerten und Ausstellungen.
Der Lutherweg lässt uns auf den historischen Spuren Luthers wandeln, er bringt uns gleichzeitig die Schönheiten unseres Landes näher.
Eine offizielle Jubiläums-Website gibt den aktuellen Überblick über diverse Aktivitäten.
Wir alle können stolz darauf sein, eine derart faszinierende Persönlichkeit wie Martin Luther ehren zu können.
Seine Botschaften haben die Welt verändert – deshalb lautet der Titel des Antrages „Reformationsjubiläum 2017 als welthistorisches Ereignis würdigen“.
Wir wollen sowohl das kirchliche als auch das staatliche Interesse an diesem Jubiläum in Einklang bringen und hierzu bedarf es einer „Gemeinschaftlichkeit“ bei den Vorbereitungen.
Wir als Tourismuspolitiker erkennen natürlich das große Potential religiös motivierter Besucher, für die es ein großes persönliches Bedürfnis ist, während der Dekade an die Wirkungsstätten Martin Luthers nach Mitteldeutschland zu reisen.
Hält man sich vor Augen, dass es weltweit 400 Millionen Protestanten gibt, so wird die Dimension deutlich. Allein in Skandinavien leben fast 22 Mio. Protestanten, in den USA und Kanada ca. 8 Mio. und in den Niederlanden 2,3 Mio. Aber auch in Brasilien, Australien und im Ostblock kann dieses welthistorische Jubiläum bei vielen christlichen Menschen Interesse wecken und ihnen die Wiege des Protestantismus in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen näherzubringen.
Eine einmalige Chance für die deutsche Tourismuswirtschaft, die es zu nutzen gilt!

Es stellt eine weitere Herausforderung dar, alle diese Aktivitäten zu koordinieren und zu vermarkten – und das mit einer fast 10-jährigen Vorlaufzeit! Unterstützt werden alle diese Initiativen durch einheitliche Marketingstrategien und durch eine von allen Akteuren gemeinsam entwickelte Wort-Bild-Marke.
Ein solches Ereignis hat es in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben!
Die Fußball-WM 2006 besaß hingegen aus tourismuspolitischer Sicht nur ein vergleichsweise kurzes Zeitfenster!

Allein Sachsen-Anhalt investiert in die Lutherdekade und das eigentliche Reformationsjubiläum einen zweistelligen Millionenbetrag, welcher in  Denkmalschutzmaßnahmen,  Infrastrukturprojekte, Marketingaktivitäten und die Koordinierungstätigkeit des eigens dafür gegründeten Lenkungsausschusses fließen. Diese außerordentlichen finanziellen Belastungen können weder Sachsen-Anhalt noch Thüringen und Sachsen ohne die zusätzliche Unterstützung durch die Bundesregierung schultern.

Vor diesem Hintergrund haben nun Koalitionsfraktionen den vorliegenden gemeinsamen Antrag im Deutschen Bundestag eingebracht, in welchem die Bundesregierung aufgefordert wird, zur Würdigung dieses Jubiläums und zur Nutzung der damit verbundenen Chancen beizutragen. Die Bundesregierung soll vor allem im Rahmen bestehender Programme die involvierten Bundesländer und Kommunen sowohl bei Investitionen in die Infrastrukturverbesserung unterstützen. Dabei geht es in erster Linie um eine bessere Vernetzung der Verkehrsträger und eine effiziente Lenkung der Verkehrsströme. Gleichzeitig werden auch flankierende Maßnahmen im Rahmen der Kultur- und Denkmalförderung sowie der Städtebauförderung eingefordert.
Zur nationalen und internationalen Vermarktung der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums sollen nationale Tourismusverbände und die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) tätig werden.
Ebenso sollen die bereits vorhandenen Strukturen des  Auswärtige Amt mit seinen Botschaften genutzt werden und die vom Bund finanzierten Institutionen, wie zum Beispiel die Goethe-Institute mit in die weltweite Vermarktung einbezogen werden.
Die im vorliegenden Koalitionsantrag enthaltenen Forderungen spiegeln im Wesentlichen die bereits in der öffentlichen Anhörung des Tourismusausschuss unter dem Arbeitstitel „Luther 2017 – 500 Jahre Reformation“ vom 16. Januar 2008 wider.

Schließen möchte ich mit einem verblüffend zeitgemäßen Zitat von Martin Luther, welches der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Prof. Böhmer, auf der Festversammlung in Wittenberg vor wenigen Tagen nannte:

„Dem Volk auf´s Maul schauen, ihm aber nicht nach dem Mund reden. Nahe bei den Menschen sein, ihre Sprache sprechen und ihre Denkweise verstehen. Volkstümlich sein, ohne jemals opportunistisch zu werden. Tun, was man sagt und sagen, was man tut.“

Diese Grundsätze Martin Luthers sollten gerade wir Volksvertreter im Deutschen Bundestag uns immer wieder vor Augen halten.